21, November, 2024
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NATO Ost-Erweiterung

Während die Kriege im Jemen, in Syrien und Afghanistan kaum noch im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit sind, besitzt der Ukraine-Krieg für uns eine kaum zu leugnende Brisanz und Relevanz. Da er gleichsam ‚vor unserer eigenen Haustür‘ stattfindet und – abgesehen davon, dass er selbst gut informierte Beobachter überrascht hat – erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen zeitigt. Bekanntlich haben nun Kriege nicht nur einen unmittelbaren Anlass oder Provokateur – eine Partei, die die Grenzen überschreitet –, sondern in diachroner Perspektive meist vielfältige Ursachen. So auch der Ukraine-Krieg. In diesem Artikel geht es um eine Ursache – manche meinen: eine vorgeschobene Begründung – des Ukrainekriegs, die NATO-Ost-Erweiterung.

Der historische Bezugspunkt für Russlands Handlungen ist das Ende des Kalten Krieges. Hierbei führte die Auflösung des Warschauer Pakts am 31. März 1991 de facto zur Auflösung des Ostblocks, während der ‚Westblock‘ und die NATO bestehen blieben. Dieses Bündnis nahm ab 1990 weitere Länder auf, wobei der heutige Konflikt maßgeblich durch diese Aufnahme beeinflusst wurde. Denn es wurden auch Staaten östlich der Elbe aufgenommen, was allerdings der zwischen George H.W. Bush und Mikhail Gorbatchev auf dem Malta-Gipfel am 3. Dezember 1989 geschlossenen mündlichen Vereinbarung widerspricht, der zufolge die NATO zusagte, den Rückzug der Sowjetunion in Osteuropa nicht auszunutzen.[1]

So sei Gorbatchev vom US-Außenminister Baker am 9. Februar 1990 versichert worden, dass die Militäreinheit sich ,,nicht einen Zoll in östliche Richtung“ ausdehnen würde. Der US-Botschafter der UdSSR meint, Baker habe beabsichtigt, Gorbatchevs Zustimmung zu einer Aufnahme Deutschlands in die NATO zu gewinnen, da Deutschland im Falle eines Nichteintritts in die NATO sich unabhängig in jede beliebige Richtung ausdehnen sowie Atomwaffen erwerben könne: „[a]ssuming there is no expansion of NATO jurisdiction to the East, not one inch, what would you prefer, a Germany embedded in NATO, or one that can go independently in any direction it chooses[?]”. Zudem sei die Sprache der Vereinbarung eindeutig und unmissverständlich gewesen, wie US-Botschafter Matlock berichtet: “the language […] was absolute, and the entire negotiation was in the framework of a general agreement that there would be no use of force by the Soviets and no ,taking advantage’ by the U.S.”

Des Weiteren wurde die Aussage Bakers, die NATO hätte keinerlei Absicht ihren Verteidigungs- und Sicherheitsbereich in Richtung Osten zu erweitern, wiederholt unterstrichen. Dies sei der Überzeugung der NATO nach  „Teil der Partnerschaft für Stabilität, die wir dem Osten anbieten können, indem wir ganz klar machen: Was auch immer innerhalb des Warschauer Paktes passiert, auf unserer Seite gibt es keinerlei Absicht, unser Verteidigungsgebiet – das Verteidigungsgebiet der Nato – Richtung Osten auszuweiten”.[2] US-Außenminister Baker machte anlässlich der 2+4-Gespräche am 9. und 10. Februar 1990 in Moskau klar:  „[W]ir [Baker und Genscher], [stimmen] voll darin überei[n], dass es keinerlei Absicht gibt, den NATO-Verteidigungs- und Sicherheitsbereich in Richtung Osten zu erweitern“. Dies gelte nicht nur für die DDR[PR1] , wie es oft interpretiert wurde, sondern auch für alle anderen Ostblock-Staaten, wie die NATO bekannt gab: „Das gilt nicht nur für die DDR […], sondern auch für alle anderen östlichen Länder.“

Aus russischer Sicht wird argumentiert, dass die NATO den 2+4-Vertrag, welcher die endgültige innere sowie äußere Souveränität Deutschlands herstellte, durch die Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn 1999, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien und der Slowakei 2004, Kroatien und Albanien 2009 sowie Montenegro 2017 und Nordmazedonien 2020 nicht einhielt. [4] Hierbei ist zu erkennen, dass die Ost-Erweiterung insbesondere 1999 und 2004 stattfand, wobei aus russischer Sicht der Rückzug der Sowjetunion aus Osteuropa ausgenutzt worden sei. Da die ehemaligen Warschauer-Pakt Staaten nun der NATO beitraten, deren Einflussbereich Richtung Osten und somit Russland ausgedehnt worden sei. Somit sei die Auflösung des Ost-Blocks ausgenutzt, da der Westen entgegen seiner Aussagen am 9. Februar 1990 in Washington D.C. handelte. Dies hatte Gorbatchev verhindern wollen. Allerdings argumentieren andere, dass es bei den Gesprächen im Februar 1990 nur um die Ausdehnung der integrierten NATO-Verteidigungsstrukturen nach Osten ging, nicht um eine Erweiterung der NATO-Mitgliedschaft. Auch wurden die Aussagen der NATO im Bezug auf die Osterweiterung später relativiert. Denn man habe es nicht so gemeint und habe der sowjetischen Führung ,über die Hürde‘ helfen wollen, einem wiedervereinigten Deutschland zuzustimmen. Insofern verstoße die NATO-Ost-Erweiterung nicht gegen den 2+4-Vertrag.

https://www.whitehouse.news/2022-03-10-us-confirms-biolabs-ukraine-russian-attack.html

Anhand der Grafik kann man erkennen, dass NATO und USA etliche Militärstützpunkte unmittelbar vor Russland positioniert haben, wie auch Biowaffenlabore der USA in der Ukraine. [5] Dies könnte auf eine Kooperation hindeuten, obwohl die Ukraine derzeit aus formal-rechtlichen Gründen der NATO nicht beitreten kann, da sie sich in einem bewaffneten Grenzkonflikt befindet. Allerdings wurde der beim Gipfeltreffen 2008 in Bukarest projektierte Beitritt der Ukraine bislang nicht konkret in Angriff genommen. [6]

Auf dem Gipfeltreffen [7] wurden allerdings auch generelle Bedenken gegenüber einer fortschreitenden Osterweiterung geäußert. Speziell bezüglich der Ukraine. Beispielsweise mahnten SPD-Fraktionschef Peter Struck und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), vor einem Beitritt der Ukraine, um „einen Streit zu vermeiden“ und „die Sicherheitsinteressen“ Russlands zu berücksichtigen.  [8] Denn die Ukraine sei für Russland wegen des Transports der Ressourcen über u.a. Gas-Pipelines relevant, aber auch aufgrund taktischer Erwägungen von Interesse. Wie eine Korrespondenz zwischen der US-Botschaft in Moskau mit dem US-Außenministerium mit dem Titel “Nyet Means Nyet: Russia’s NATO Enlargement Redlines” vom 1. Februar 2008 belegt. [9] Dieses Dokument zeigt die Kommunikation zwischen US-Botschafter Burns (jetzt stellv. Außenminister) und dem russischen Außenminister Sergei Lavrov. Insbesondere werden Lavrovs ausdrückliche Bedenken gegenüber einer Aufnahme der Ukraine deutlich. Denn eine Ost-Erweiterung, so Lavrov, würde eine zunehmende militärische Bedrohung Russlands seitens der NATO darstellen. Außerdem sei es strategisch äußerst wichtig, keinen Beitritt zu erwägen, da es in der Ukraine zu einer Spaltung mit handgreiflichen Konflikten, eventuell bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen könnte, in denen Russland geneigt wäre, einzugreifen. Erforderlich könnte dies aufgrund der (auch ethnischen) Spaltung der Bevölkerung und möglicherweise der vermehrten Gewalt gegenüber der pro-russischen Minderheit, dies könne zu einer direkten Opposition zwischen Russland und NATO und mittelfristig zu einem neuen Kalten Krieg führen. Damit dies nicht geschehe, habe Russland, das seine nationalen Sicherheitsinteressen untergraben sehe, seine roten Linien gezogen. Aus Sicht Russlands wurden Zusagen missachtet, die nicht nur in Washington D.C. und Moskau 1990, sondern auch in Brüssel am 17. Mai 1990, bei einer Rede von Manfred Wörner, der NATO Generalsekretär gegeben worden seien [10], denn Russland’s Sicherheitsinteressen seien nur solange gewahrt, wie die Korrespondenz, also die erwähnten Zusagen im Mai 1990 in Brüssel und Moskau eingehalten würden. Dem entspricht die Aussage des damaligen NATO-Generalsekretär Wörner: „The fact that we are ready not to place a NATO army outside of German territory gives the Soviet Union a firm security guarantee”. Diese „NATO army” bezieht sich nicht nur auf Truppen, sondern auch auf militärische Präsenz in Form von beispielsweise Militärstützpunkten oder Stützpunkten zur Raketenabwehr, welche nahe Russland stationiert wurden.

Ob diese möglichen Beweggründe legitim sind, kann man diskutieren. Jedenfalls ist Russlands Reaktion, ein Völkerrechtsbruch, unangemessen. Völkerrechtsbruch bleibt Völkerrechtsbruch. Das moralisches Überlegenheitsgefühl oder ,the moral highground‘ des Westens ist indes ebenfalls unangebracht, weshalb ein offenes Auge und eine offene Einstellung auch abseits von Spiegel, Bild und Co. für die aktuelle Situation und Entwicklung durchaus empfehlenswert ist. Da in einer vergleichbaren Situation im Jahr 2003 beim Angriff auf den Irak ebenfalls ein Völkerrechtsbruch stattfand, dies jedoch keine vergleichbare Empörung und mediale Aufmerksamkeit auslöste. Anhand dessen kann man erkennen, dass hierbei mit zweierlei Maß gemessen wird. Nichtsdestotrotz ist Putins Verhalten nicht gerechtfertigt, dies wollen wir in dem Artikel auch nicht behaupten, es geht uns hierbei nur darum, historische Zusammenhänge zu beleuchten.

[1] https://www.globalresearch.ca/western-media-blackout-on-the-atrocities-committed-in-odessa-and-eastern-ukraine/5383168 (19:48 16.3.2022)

[2] https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-2-25-januar-2022/macht-vor-recht-wie-lange-noch.html (11:43 20.4.2022)

[3] https://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=79877 (11:44 20.4.2022)

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung#Kontroversen (13:13 7.5.2022)

[5] https://www.whitehouse.news/2022-03-10-us-confirms-biolabs-ukraine-russian-attack.html# (12:12 20.4.2022)

[6]https://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_8443.htm (11:45 20.4.2022)

[7] https://consortiumnews.com/2014/05/15/how-nato-jabs-russia-on-ukraine/ (19:55 16.3.2022)

[8] https://www.tagesspiegel.de/politik/gipfel-in-bukarest-wieviel-osten-vertraegt-die-nato/1203408.html (13:14 7.5.2022)

[9] ] https://wikileaks.org/plusd/cables/08MOSCOW265_a.html (14:50 21.4.2022)

[10] ] https://fabiusmaximus.com/2015/12/03/nato-breaks-deal-with-russia-91618/ (19:56 16.3.2022)

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