14, Oktober, 2025
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Aus unterschiedlichen Perspektiven: Interview mit der jungen Freiheit

In dieser Interviewreihe wird es darum gehen, Zeitungen aus unterschiedlichen politischen Spektren zu interviewen, um sich ein Abbild der deutschen Medienlandschaft zu verschaffen.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für uns. Nach unserem Eindruck, wir kommen ja von einer Schülerzeitung, sind viele Jugendliche nicht unbedingt super versiert, was die deutsche Medien-Landschaft angeht – auch deswegen sind wir hier. Zunächst also die Frage: Warum sollte man Ihre Zeitung lesen, was darf man erwarten?

Stein: Also, unsere Zeitung gibt es, weil wir sehen, dass es ein Defizit auf dem Zeitungs-medienmarkt gibt. Das ist eine langjährige Geschichte. Inzwischen gibt es, auch in jüngster Zeit, einige neue Gründungen, neue Medien, z.B. „Nius“ „Tichys Binblick“ und so weiter – das Spektrum hat sich inzwischen auch in unserer Richtung erweitert. 

Aber über Jahre hinweg war es so, dass es eine Ausdünnung gab, was konservative Medien angeht. Es sind auch viele eingegangen. Und bei den gängigen großen, überregionalen Medien wie „Welt“ und „INZ“ hat eben so, wie soll man sagen, ein Linkstrend stattgefunden. Und es hat sich ein Vakuum geöffnet, das gefüllt werden muss aus unserer Sicht. Das versuchen wir abzudecken.

Wie viele Angestellte werden hier beschäftigt?

Also, aktuell über etwa 50 Leute. Überwiegend, ich sag mal 30, arbeiten im redaktionellen Bereich, und eine kleine Gruppe im kaufmännischen Bereich, also Buchhaltung, Vertrieb und Buchdienstverwaltung. Und beim redaktionellen Bereich haben wir zum Beispiel alleine sechs Layouter, also vier Layouterinnen, die nur Zeitungslayout machen, dann einen Layouter für die Vertriebsdruckachen und eine Layouterin für Social Media.

Und dann eben, bei der Redaktion, splittet sich das auch auf in welche, die nur als Printredakteure arbeiten, und eine wachsende Gruppe von Online-Redakteuren. Und die Social Media Abteilung, das sind einschließlich der Grafikerin vier Mitarbeiter.

Dann allgemein zur Entwicklung: Können Sie uns ungefähr sagen, prozentual oder in Zahlen, wie sich die Auflagenzahlen seit der Gründung entwickelt haben?

Ja, die können Sie uns auch im Internet einsehen. Wir werden seit 2008 von IVW geprüft. 

Das ist eine Einrichtung, von der die meisten großen überregionalen Medien geprüft werden. Die kommen alle Vierteljahre und prüfen dann Druckrechnungen und Versandunterlagen. Das heißt, das ist fast wie so eine Betriebsprüfung vom Finanzamt, da kann man nicht tricksen.

Wir haben eigentlich eine phänomenale Entwicklung gehabt, derart dass wir einen kontinuierlichen Anstieg unserer verkauften Auflage hatten. Jetzt aber im zweiten Corona-Jahr ging es leicht abwärts. Das heißt, wir hatten so einen Höchststand bei der verkauften Auflage von 31.000. Jetzt aktuell ist es, glaube ich, um die 28.000. Aber seit einem Jahr schon wieder im Aufstieg begriffen. Wir merken da, dass uns jetzt erst spät richtig dieser Mega-Trend trifft, dass eben nur noch die älteren Generationen Print-Abonnements abschließen und die Jüngeren eben fast ausschließlich online lesen. Und da haben wir vor eineinhalb Jahren eine Online-Offensive gestartet, in welche wir jetzt stark investieren.

Zwar hatten wir vorher schon eine Online-Redaktion, aber aktuell investieren wir massiv in deren weiteren Ausbau.

Und vor allem: Seit eineinhalb Jahren funktioniert unsere Bezahlschranke endlich richtig. Die hatten wir zwar schon seit 2019, mussten aber dann feststellen, dass die viel zu kompliziert war. Und seit März letzten Jahres haben wir die neue in Betrieb, die super einfach ist. Und seitdem geht es richtig aufwärts mit den Online-Abos. Das heißt, inzwischen sind Ober 30% der verkauften Exemplare Online-Exemplare. Also zwei Drittel Print, ein Drittel Online.

Mit Blick auf die Finanzierung würde uns interessieren, wie das Verhältnis von Werbekunden zu Zeitungsverkäufen und Abonnements aussieht. Es gab letzthin einen interessanten Text von Harald Martenstein, der meinte, dass die „Süddeutsche Zeitung”, „Zeit” usw., sich nur noch finanzieren können, weil auch der Bund Anzeigen schaltet, was dann Millionen in die Kassen spült. Nur so könnten sie die sinkenden Auflagen verkraften. Wie ist das bei Ihnen? Also welche Bedeutung haben da Werbeeinnahmen?

Ja, dazu vielleicht nur zwei Riesenentwicklungen, mit denen wir es zu tun haben, was die traditionellen Medien betrifft und mittelbar auch uns. Einmal durch die Explosion des Internets Anfang der 2000er Jahre, dass der gesamte Anzeigenmarkt zum großen Teil ins Internet wandert. Das heißt, die großen Firmen werben immer stärker oder fast ausschließlich im Internet. Früher war es so, bei der FAZ zum Beispiel: Bei Wochenend-Ausgaben haben die sogar Anzeigen abgewiesen, weil dann die Zeitung nicht mehr gedruckt werden konnte, weil sie zu dick war. 

Stellenanzeigen finden Sie heute nur noch im Internet. Das heißt, da hatten wir den Höchststand der Druckproduktion Anfang der 2000er Jahre und dann fing das an rapide einzubrechen. Mit unserer eigenen Zeitung sind wir vor einem Jahr umgezogen von Mörfelden bei Frankfurt nach Kassel. Die Frankfurter Sozietäts-Druckerei – die geschlossen wird – die gehört zur FAZ. Die wird geschlossen, weil Druckauflagen so einbrechen. Auch die FAZ zieht mit ihrer Druckauflage nach Kassel und so schrumpft das immer weiter zusammen.

Das zweite ist der Anzeigenbereich, der weggebrochen ist und dann die Leser selbst, die eben aufgrund veränderter Gewohnheiten jetzt nur noch online lesen. Bei uns ist es aber immer schon so, was die Finanzierung angeht, dass der Anzeigenbereich nur etwa zwei bis drei Prozent unseres Umsatzes ausmacht. Das heißt also, bei anderen Medien hat das mal ursprünglich einen überwiegenden Teil der Finanzierung dargestellt. Bei uns ist das von Anfang an, eben aber auch aus politischen Gründen, ganz marginal. Weil eben die Zeitung als umstritten gilt, sage ich mal vereinfacht, bleiben große Kunden weg, die eben sonst quer alles abdecken, was überregional erscheint. Wir haben mal Anfang der 90er Jahre ein Test gewagt mit einem Magazin und da war eine Anzeige von Coca Cola und Philipp Morris drin und dann gab es einen riesigen Shitstorm: Dass es nicht sein kann, dass die bei uns inserieren. So läuft es halt und dann landet man auf einer schwarzen Liste.

Das heißt, wir finanzieren uns eben zu etwa 80%, würde ich sagen, über die Vertriebser-löse und vor allem über Abonnements. Das ist also das A und O bei uns. Anzeigen, sage ich mal, 3%. Das ist dann einfach so ein Zusatzgeschäft, besser haben als nicht haben, aber das ist jetzt nicht kriegsentscheidend‘. Wir haben noch eine Versandbuchhandlung und so, aber die Zeitung lebt allein durch ihre Leser.

Wir haben jetzt ein bisschen allgemein über die Zeitung gesprochen, wir würden nun gerne inhaltlich ein wenig tiefer gehen. Wenn Sie die Programmatik oder Tendenz der „Jungen Freiheit“ in drei Schlagworten beschreiben müssten, welche würden Sie wählen?

Wir haben vor Jahren mal so ein Leitbild formuliert, mit einer Vision. Da nennen wir die Werte Nation, Freiheitlichkeit, Konservatismus und Christentum. Das sind jetzt vier Begriffe. Sie hatten nach drei gefragt -, aber das sind so die vier Eckpunkte, die für die Zeitung wichtig sind.

Dabei kommt zum Tragen, dass die Deutschen leider auch allgemein ein schwieriges, brüchiges Verhältnis zu ihrer eigenen Nation und Geschichte haben. Damit wollen wir uns positiv auseinandersetzen. Freiheitlichkeit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, dass sind enorm wichtige Begriffe. Gerade auch während der Corona-Zeit waren Grundrechte hart umkämpft. Konservatismus ist sehr wichtig, das ist auch ein weites Feld. Wenn man eben ein skeptisches Menschenbild hat und nicht glaubt, an die grenzenlose Machbarkeit und einen Fortschritt, sondern an den Wert von Traditionen und dem, was historisch gewachsen ist. Christentum – ist ebenfalls ein wichtiger Punkt.

Okay, das deckt ja schon weitgehend unsere Frage ab. Wenn man jetzt vielleicht diese Werte mehr oder weniger auf den Journalismus bezieht, gibt es da bestimmte Prinzipien, wo Sie sagen, die sind eben besonders wichtig?

Ja, uns ist dran gelegen, wirklich seriös zu berichten und die Quellen sicherzustellen, ab-wohl wir eine Tendenz-Zeitung sind – wir sind jetzt nicht ein, wie die DPA es sein sollte,

vollkommen weltanschaulich neutrales Medium. 

Wir haben eine klare Position, aber trotzdem gucken wir, wenn wir eine Meldung in die Welt setzen, dass wir vernünftige Quellen haben, die geprüft sind, und dass wir möglichst auch Betroffene hören und um eine Stellungnahme bitten.

Uns ist daran gelegen, andere Meinungen zu hören, die nicht auf unserer Linie

sind. Also zum Beispiel beim Interview, das gelingt nicht immer, aber uns ist extrem daran gelegen, in der Zeitung auch politisch Andersdenkende im Streit zu Wort kommen zu lassen. Warum das so schwierig ist – das ist ein Thema für sich …


Die Texte die hier geschrieben werden – wer legt fest, welche Texte geschrieben werden? Sind Sie dann derjenige, der mit einer Idee kommt? Also, bei uns ist das so, dass jemand in die Runde fragt: „Habt ihr das mitgekriegt?“ und dann entscheiden wir gemeinsam, in welche Richtung es geht. Wie läuft das hier ab?

Wir haben hier für die Zeitung jeden Dienstag den Redaktionsschluss-Abend, dann geht die Zeitung in den Druck und mittwochs haben wir eine längere Planungssitzung. Jeder bringt Vorschläge ein, die werden diskutiert, und manchmal müssen wir auch richtig lange grübeln, ob uns diese Woche wirklich ein Aufmacher-Thema einfällt.

Dann haben wir hier so eine längerfristige Planung. Dafür haben wir alle fünf Wochen eine Sitzung, bei der wir die nächsten fünf Wochen planen und versuchen, thematische Schwerpunkte zu bilden, die durch irgendwelche Ereignisse feststehen und dann findet darüber eine Diskussion statt, da kann sich jeder einbringen.

Die JF wird meist als ‚konservativ‘ und ‚rechts‘ eingeordnet. Es gibt ja auch so die Aussage, dass die JF ein „Sprachrohr der Neuen Rechten“ ist. Inwiefern würden Sie dem zustimmen?

Da muss ich vielleicht mal gegenfragen, was verbinden fie persönlich eigentlich mit der ‚Neuen Rechten‘? Wenn Sie das lesen oder hören, was assoziieren Sie damit?

Ich meine, dass man schon sehr stark die Werte, die im Nationalismus vertreten wurden, befürwortet. Aber das könnte man natürlich auch anders auslegen.

Das ist natürlich ziemlich hart, wenn Sie sagen: „die Werte, die im Nationalismus vertreten wurden.”

Es gibt ja zwei gängige Auffassungen, so denke ich, der ‚Neuen Rechten‘. Da gibt es so die Neonazi-Richtung, die durchaus die Werte des Nationalismus vertritt, und dann solche, die eher rechtskonservativ sind, dann aber pauschal der Neuen Rechten‘ zugeordnet werden.

Ja, vielleicht für Sie zur Information: Ich habe vor schon fast 20 Jahren ein Buch geschrieben: Phantom „Neue Rechte”. Die Geschichte eines politischen Begriffs und sein Missbrauch durch den Verfassungsschutz“ (2005). Da habe ich mich mit der Entstehung desBegriffs auseinandergesetzt. Es ging mir selber so, dass ich zu dem Zeitpunkt auch nicht genau wusste: Wo kommt das eigentlich her? Wer hat den Begriff eigentlich zuerst in die Welt gesetzt? Was soll der überhaupt?

Das spielte damals für uns auch eine juristisch wichtige Rolle, weil wir noch unseren Prozess gegen das Land Nordrhein-Westfalen geführt haben, über zehn Jahre, und dann 2005 gewonnen hatten. Wo es um die Erwähnung der JF im dortigen Verfassungsschutzbericht ging. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hat vor allen Dingen damit operiert, dass er immer die JF als Teil der ‚Neuen Rechten‘ gewertet hat, die ‚Neue Rechte‘ als Begriff oder als Schublade benutzt hat, wo man uns reinstecken konnte.

Wenn man sich mit diesen Begriffen beschäftigt, sieht man, dass das ein polemischer Begriff ist, der einerseits von Leuten aus der Politikwissenschaft verwendet wird, um ein Spektrum zu problematisieren und anzugreifen. Dann gibt es aber auch Leute, die sogar den Begriff zur Selbstbeschreibung verwendet haben und auch verwenden. Ich selbst habe den Begriff immer abgelehnt und bekämpft, weil er letztendlich ein Begriff ist, der insinuiert, es gäbe hier irgendwie so ein geschlossenes Weltbild, eine Zuordnung zu einer problematischen Strömung.

Ich sage eben, es geht um eine vollkommen selbstverständliche Position im demokratischen Spektrum. In einer Demokratie brauchen Sie eben Linke, Liberale, Leute, die in der Mitte stehen, und Sie brauchen Konservative. Das ist halt die Preisfrage, wo stehen letztere eigentlich in Deutschland? Wo finden Sie eigentlich konservative Medien und konservative Publizisten und Politiker?

Inwiefern würden Sie allgemein die Pressefreiheit als gefährdet ansehen? Man hat neuerdings ja etwa vermehrt Strafanträge und Strafanzeigen von Politikern… Würden Sie sagen, dass Sie auf derlei reagieren und redaktionelle Vorgaben machen? Oder würden Sie sagen, dass Ihre Autoren schreiben können, was sie wollen?

Ich würde vielleicht zwei Sachen nochmal auseinanderhalten. Sie haben erst einmal eine Frage über die Einschränkung der Pressefreiheit im Zusammenhang mit §188 Strafgesetzbuch gestellt. Da geht es vor allem um Einzelpersonen, also auch Bürger, die sich scharf über Politiker äußern. Das ist tatsächlich ein Riesenproblem. Ganz aktuell berichten wir auch darüber, dass das viel zu weit geht und Leute damit in Angst und Schrecken versetzt werden, sich überhaupt noch kritisch über Politiker zu äußern. Da ist uns auch erst so richtig bewusst geworden, was das für ein Irrsinn ist – als 2021 dieses Gesetz verschärft wurde. Gerade in der aktuellen Ausgabe wurde auch Armin Laschet (CDU) zitiert.

Er hat völlig zu Recht gesagt, dass Politiker es ertragen müssen, dass man sie Schwachkopf und Ähnliches nennt. Ein Minister muss es aushalten, dass Bürger, die unzufrieden sind, auch sehr scharf polemisch bis ansatzweise beleidigend sind. Dagegen kann sich jeder Bürger wehren. Da gibt es keine schlechtere Behandlung von Politikern. Aber hier wurde ein Sondergesetz für Politiker geschaffen, das ist also eine Einschüchterungsmaßnahme, muss man sagen. In einer Demokratie sehr problematisch.

Bei der Pressefreiheit haben wir aktuell vor allen Dingen online zu tun, mit diesem Digital Service Act. Aktuell wird auch stark über diese Trusted Flagger debattiert. Das heißt, hier findet eine Privatisierung der Zensur statt. Der Staat hat selbst Instrumente in der Hand, um bei Verstößen gegen das Presserecht oder gegen das Strafrecht gegen Medien vorzugehen.

Man schafft jetzt hier aber so eine Grauzone. Ich glaube, wir haben damals 2005 mit dem Gerichtsverfahren gegen Nordrhein-Westfalen ein Schlüsselurteil erstritten, wo eine große Rolle spielte, was bisher nicht durch ein Gerichtsurteil festgestellt worden war, dass die Äußerungen des Verfassungsschutzes nicht einfach Meinungsäußerungen sind.

Dieser irrigen Auffassung war der Verfassungsschutz bis dahin gewesen. Tatsächlich haben sie eine scharfe Wirkung, sodass es Grundrechtseingriffe sind. 

Insofern weiß der Staat, dass er nur sehr beschränkt jenseits von Gerichtsverfahren und Gerichtsurteilen tätig werden kann gegen die Publizität. Auch in den Sozialen Medien.

Also privatisiert man das, lagert das aus an sogenannte Nichtregierungsorganisationen, die angeblich ganz neutral und objektiv tätig sind. Welche dann diesen Status als „Trusted Flaggers“ bekommen und in einem privilegierten Verfahren gegen Facebook, Twitter usw. vorstellig werden können.

Hier wird ein Druck erzeugt – jenseits der Justiz, jenseits der Gerichtsbarkeit – um Leute, die publizistisch tätig sind, im Rahmen der sozialen Plattformen unter Druck zu setzen.

Das ist ein massives Problem. Daran sieht man, dass bei politisch Verantwortlichen eine Fantasie entstanden ist. Immer mit dem Argument drohender Desinformation. Das ist nicht komplett falsch, wir haben es tatsächlich zum Teil mit gezielter Desinformation zu tun. Auch gerade im Ukraine-Krieg sehe ich das schon als Problem an. Auch wie insbesondere Russland hier aktiv ist, wie brutal sie vorgehen und versuchen, Einfluss zu nehmen. Natürlich muss man da aufpassen. Aber mit diesem Vorwand wird versucht, generell einfach gegen alle vorzugehen, die irgendwie unabhängig, kritisch, auch publizistisch im Rahmen einer Firma oder als Einzelpersonen tätig sind – das ist wirklich hochproble-matisch. Man versucht eben hier so etwas wie eine gelenkte Öffentlichkeit zu erzeugen.

Letztendlich wie bei der Rede von demokratischen Parteien‘. 

Das heißt: Es gibt so ein komisches, offiziell akzeptiertes politisches Spektrum, in dem angeblich ein freier Diskurs möglich ist, und außerhalb dessen greifen dann die „Trusted Flaggers“ ein und kontrollieren und disziplinieren die Leute.

Ich habe gerade schnell versucht zu rekapitulieren, ob wir jemals eigentlich ein Strafverfahren hatten. Also ich kann mich nicht daran erinnern, dass bei der JF strafrechtlich gegen etwas vorgegangen werden musste. Aber wir haben unterhalb dessen einige Auseinandersetzungen gehabt, das kann man auch bei Wikipedia nachlesen.

Im ersten Wochenzeitungsjahr 1994 gab es einen ganz großen Krach und da habe ich dann dem damaligen Kulturredakteur gekündigt, Andreas Molau. Da ging es um Artikel eines ziemlich bekannten rechtskonservativen Publizisten, Armin Mohler. Wo es vereinfacht um das Thema Geschichtsrevisionismus ging und da hatte ich eine Kolumne erstmal abgelehnt eine und dann wurde sie noch einmal eingereicht, nur minimal verändert. Da ging es um das Thema der nationalsozialistischen Judenverfolgung und die Frage, ob die Dimensionen stimmen. Also, wenn man den Text heute nochmal liest, ist da jetzt nichts strafrechtlich Relevantes oder Anstößiges drin, aber es war damals für uns erkennbar, dass der Versuch unternommen wird, schrittweise dieses In-Zweifel-Ziehen historischer Tatsachen in die Zeitung reinzudrücken. Das führte damals zu einer Trennung von dem Redakteur. Wir haben uns auch mit dem Kolumnisten überworfen, aber das war nicht unter dem Druck irgendwelcher Strafrechtsparagraphen.

Alexander Gauland hat ja mal gesagt wer die AfD verstehen möchte, müsse die „Junge Freiheit“ lesen. Was halten Sie von dieser Aussage, stimmen Sie dem zu?

Die ist so sechs, sieben Jahre alt die Aussage… Wir wollen auf gar keinen Fall Parteizeitung sein. Aufgabe der JF ist es, finanziell und institutionell unabhängig zu berichten. Aber es ist sicher so, dass wir von unserem Standort her, eben ein besonderes Interesse für das haben, was sich parteipolitisch rechts von der Mitte tut. Da gehört die AfD dazu. Wir haben natürlich auch dadurch teilweise bessere Zugänge zu Politikern dort. Wir haben auch ehemalige Redakteure, die dort jetzt im Bundestag der Presseabteilung arbeiten, zum Beispiel der Pressesprecher der Bundestagsfraktion. Insofern berichten wir recht um-fangreich. Aber eben immer mit dem Punkt, dass wir unabhängig und kritisch berichten wollen.

Noch einmal zum Thema Pressefreiheit: Wo liegen aus Ihrer Sicht momentan die größten Probleme? Für wie gefährdet halten Sie die Pressefreiheit in Deutschland?

Ja, das mit dem Digital Service Act hatte ich schon erwähnt. Was auch ein Punkt ist, ist natürlich die Frage der Finanzierung der Medien. Da haben wir in Deutschland den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, einen riesigen Koloss, der sich über Zwangsgebühren finanziert, das sind inzwischen über 9 Milliarden Euro pro Jahr, und der natürlich ein Riesenspektrum an Journalisten zur Verfügung hat. Auch wenn Sie jetzt heute die Idee fassen, Journalist zu werden, dann ist das natürlich dort ein Riesenkosmos, wo Sie anfangen können, der sich eben nicht wirtschaftlich tragen muss, sondern der über Zwangsgebühren finanziert ist – das ist irgendwie einfach nicht richtig normal.

Daneben haben Sie eben private Medien, also traditionelle Zeitungshäuser, Privatsender, Internetplattformen, die mühsam gucken müssen, dass sie ihre Kröten zusammenkriegen, um ihre Mitarbeiter zu finanzieren. Zum Beispiel gibt es den aktuellen Streit: Einerseits wollen die Öffentlich-Rechtlichen die Gebühren weiter erhöhen. Die wollen das immer wieder erhöhen, statt auf die Idee zu kommen zu sparen. Jede private Firma muss irgendwann sagen: “Ok, jetzt haben wir weniger Werbeeinnahmen, dann müssen wir jetzt

eben irgendeine Abteilung schließen.“ Auf die Idee kommen die nicht und breiten sich aber über die herkömmlichen Sendeformate, etwa übers Fernsehen, immer weiter in Bereiche aus, wo private Firmen tätig sind.

Ein großer Streitfall sind speziell Textnachrichten, also wenn ARD, ZDF und so weiter im Internet schriftlich veröffentlichen. Das ist ihnen eigentlich untersagt, aber Sie versuchen das immer weiter auszubauen, auch in der regionalen Berichterstattung. Da sind gerade wieder die regionalen Tageszeitungen enorm unter Druck, weil es immer schwieriger ist, wegen dem Wegbleibenden von traditionellen Printabonnements die Leserschaft zu binden. Die müssen auch gucken, dass im Internet Formate angeboten werden, bei denen die Leute noch bereit sind, ein Abo abzuschließen, wobei der Bürger jeweils die individuelle Entscheidung trifft. Aber bei öffentlich-rechtlichen Sendern müssen die das ‚fressen‘, da ist eine riesige Unwucht, eine Ungleichverteilung drin.

Aber auch diese jüngste Journalistenbefragung (2024) über die Parteineigung deutscher Journalisten: Sie sehen, die Grünen mit 41%, SPD mit 16%, Linke mit 6% und dann die bürgerlichen Parteien CDU/CSU mit 8% und FDP mit 3%. Dann noch eine Gruppe mit 23%, die sich nicht festlegen wollen, die aber im Zweifel auch eher links stehen. Die arbeiten in öffentlich-rechtlichen Sendern und machen dann eben Meinung. Zu Meinungs-und Pressefreiheit gehört einfach dazu, dass man eine relative Repräsentativität hat – auch bei den Medien. Dass so derart von oben, wie soll man sagen, formiert wird, kraft Finanzierung, ist einfach ein Riesenproblem: Dass die Bürger immer wieder erleben, dass sie mit ihrer Lebenswirklichkeit und mit ihren Ansichten nicht abgebildet werden.

Aber das ist eben nicht, was man unter Einschränkungen der Pressefreiheit versteht. Re-gerechte Zensurmaßnahmen zum Beispiel, wo es Verbote gibt und so, das findet hier nicht statt.

Stattdessen gibt es eine schleichende Entwicklung. Hierzu gehört etwa auch dieses Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das jährlich etwa 200 Millionen an sogenannte Nichtregierungsorganisationen auszahlt – immer unter dem Label: „Es soll etwas dafür getan werden, für die politische Bildung der Menschen draußen im Lande.“ 

Da verbergen sich dann oft wiederum Organisationen dahinter, die mittelbar medienähnlich tätig sind. Die sind zu 90 Prozent links gerichtet und verbreiten mit Steuergeldern entsprechende Inhalte.

Ja, und wenn Sie uns jetzt sehen: Wir finanzieren uns zu 100% aus privaten Mitteln. Für mich ist das eigentlich, in einer Demokratie, in einem freiheitlichen Rechtsstaat, das Ideal.

Das heißt, dass man einen Bürger hat, der sagt, ich stelle was auf die Beine, ich will mein Recht auf Meinungspressefreiheit wahrnehmen, ich gründe eine eigene Firma, ich such‘ mir Leute, die das kaufen und lesen wollen, und schreibe genau das, was ich für richtig halte.

Und daneben haben Sie aber einen staatlich organisierten Bereich, der im Falle des ÖRR von oben herab in einem Umfang von 9 Milliarden Öffentlichkeit organisiert. Dann jetzt noch diese 200 Millionen – das wirkt fast mickrig. aber es ist ein Wahnsinnsbetrag -, in diesem Bereich „Demokratie fördern“. Da kommt noch die Finanzierung der Parteien

dazu, die Parteistiftungen auch noch. Das alles wird, muss ich mal sagen, gepumpt in diesen politischen Vorraum, in dem man sich nicht marktwirtschaftlich bewähren muss.

Leider ist die Marktwirtschaft im Diskurs immer so schlecht beleumundet. Es klingt irgendwie nach sozialer Kälte und Kapitalismus. Aber eigentlich ist es doch der Urzustand, dass man frei diskutiert und jeder seinen Senf dazugibt. Aber auch, dass es eine Art Vorsortierung gibt.

Man sagt immer, Pressefreiheit sei die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten*. Das hat mal Paul Sethe in den 1960er Jahren über die Zeitungen gesagt, die sich damals Zeitungsverlage leisten konnten. Auch große Verlage wie Springer, obwohl er auch ein Self-Made-Verleger gewesen ist, haben irgendwann eine marktbeherrschende Stellung bekommen und den Ton angeben können. Es gibt aber natürlich immer noch die Konkurrenz, die wenigstens im Kontrast dazu wirken kann.

Fällt Ihnen jetzt spontan eine Person ein, die noch lebt, mit der Sie gerne ein Interview führen würden?

Das habe ich mir auch gerade noch vorher überlegt. Interessant finde ich Angela Merkel oder Vladimir Putin, wenn ich es mir aussuchen dürfte. Was mich jetzt tatsächlich beschäftigt, ist auch wirklich dieser Krieg in der Ukraine und die Sicherheit in Osteuropa, Ost-Mitteleuropa. Da haben die beiden teilweise mitgewirkt – Angela Merkel zeitweise, und Putin immer noch. Wäre natürlich interessant.

Sehr geehrter Herr Stein, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

(Clara & Marie Haueis-Robinson)

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