In „Collateral Murder“ werden, wie der Name schon sagt, unschuldige Menschen getötet, durch die Armee der USA. Dazu später mehr.
Nachdem die Whistleblowerin Chelsea Manning (damals noch Bradley Manning) 2010 zusammen mit WikiLeaks geheime Dateien der US-Amerikanischen Armee über Kriegsverbrechen der USA veröffentlicht hatte, wurde diese in 19 verschiedenen Punkten angeklagt und daraufhin zu 35 Jahren Haft verurteilt, jedoch wurde die Strafe durch den Präsidenten Barak Obama zu sieben Jahren Haft herabgesetzt. Im ersten Jahr der Haftstrafe wurde Manning unter grausamen Bedingungen „gehalten“. Unter anderem durfte sie sich 23 Stunden am Tag nicht bewegen, keine Besuche empfangen und war in Isolationshaft. Es wurde außerdem bekannt gegeben, dass sie gezwungenermaßen nachts ohne Kleidung schlafen musste, was ein Sprecher des Gefängnispersonals bestätigte. Aufgrund dieser Verhältnisse, die aus heutiger Sicht wie Folter scheinen, litt sie nach einem Jahr in Haft unter traumatischen Auswirkungen. Dennoch wurde ihr Geisteszustand 2012 als gerichtsfähig abgetan. Zu Beginn der Debatte, also 2010, stellte sich die Öffentlichkeit klar auf die Seite Chelsea Mannings und unterstützte diese. Im Laufe der Ermittlungen und während der Zeit, als sich Manning im Gefängnis befand, wurde diese Unterstützung immer schwächer. Bald wurde sie fast vollkommen vergessen.
Unter den veröffentlichten Dokumenten befindet sich ein Video, das unter dem englischen Titel „Collateral Murder“ 2010 auf der Plattform WikiLeaks veröffentlicht wurde. Das Video zeigt zwei Hubschrauber, von denen mindestens einer auf unbewaffnete Zivilisten und Journalisten des Nachrichtensenders Reuters schießt. Unter den Zivilisten befinden sich auch zwei kleine Geschwister, die in dem Auto sitzen, das die Kugeln treffen. Der Fahrer des Autos will die verletzten Personen bergen und in ein nahegelegenes Krankenhaus bringen. Auch er stirbt am Kugelhagel. Die Männer im Hubschrauber, die sich im Video über Funk unterhalten, stacheln sich gegenseitig an noch einmal eine Salve an Schüssen auf die Zivilisten abzugeben. Nachdem sie bemerken, dass sie auf Kinder geschossen haben, tun sie das mit den Worten: “Well, It’s their fault for bringing their kids into a battle”, was so viel heißt wie: „Es ist deren Schuld, wenn sie ihre Kinder mit in den Krieg nehmen“ ab. Die Bodentruppen der US-Armee, die wenig später am Tatort eintreffen, sprechen von einer mörderischen Szene und davon, dass sie sich zunächst nicht vorstellen konnten, dass ihre eigenen Truppen ein solches Schlachtfeld hinterlassen haben.
Das Video hat mir gezeigt, dass auch ein moderner Staat wie die USA dunkle Seiten hat, die sorgsam vor der Gesellschaft versteckt werden. So wie die USA hat allerdings wahrscheinlich auch jedes andere Land Geheimnisse, die nicht an die Öffentlichkeit kommen sollen und die oft ähnlich schlimm sind wie dieses Kriegsverbrechen. Diese Kritik richtet sich also nicht nur gegen die Vereinigten Staaten, sondern gegen unsere gesamte Gesellschaft, die dafür sorgt, dass solche Dokumente nur ans Licht kommen, wenn sich einzelne Personen dafür einsetzen und sich, wie Chelsea Manning, für die Gerechtigkeit opfern. Mehr noch: die Gesellschaft, in der wir leben, ist so auf ihr eigenes Wohl konzentriert und so wenig auf das Wohl der anderen, dass wir sogar vergessen können, was anderen Menschen angetan wird, weil sie Geheimnisse eines Staates offenbart haben, während wir uns in Malls oder Kinos die Zeit vertreiben. Deshalb sollten wir nicht beide Augen zudrücken, nur weil das der einfachere Weg ist, sondern das Handeln der Regierungen kritisch hinterfragen und uns ein eigenes Bild der Politik, wie wir sie uns vorstellen, machen. Aber wir müssen auch aufhören, die Schuld für alles bei anderen zu suchen, sondern uns erst einmal selbst fragen, ob wir nicht auch schuld daran sind, dass eine Gesellschaft wie unsere existieren kann, und ob wir nicht selbst dafür sorgen, dass Menschen wie Chelsea Manning leiden müssen. Denn, wenn die Öffentlichkeit auf ihrer Seite geblieben wäre und sie nicht vergessen hätte, wäre ihr mit Sicherheit viel erspart geblieben.
„Collateral Murder“ findet ihr hier: https://collateralmurder.wikileaks.org/